Die Einführung des Impfstoffs für COVID-19 wird zur größten Herausforderung für chemische Lieferketten in der Geschichte. Hier ist der Grund.
Im Jahr 2020 waren alle Bereiche des Lebens vom Coronavirus betroffen. Ob bei Besprechungen am Arbeitsplatz, beim abendlichen Treffen mit Freunden, beim Besuch von Familienmitgliedern zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen, alles war oder ist von der Corona-Pandemie und ihren Einschränkungen betroffen.
Gerade jetzt, Ende 2020, sind mehrere Pharmaunternehmen dabei, spezifische Impfstoffe zu entwickeln, die bereits die meisten Phasen der Wirkstoffforschungslandschaft durchlaufen haben, von der strukturellen Charakterisierung, dem Design, der chemischen Synthese oder rekombinanten Technologien über die präklinische Untersuchung bis hin zu Phase 0, 1, 2a, b und sogar Phase 3.[1]
Die bekanntesten und völlig neuen Impfstoffdesign-Ansätze wurden von Moderna mit mRNA-1273, von BioNTech und Pfizer mit BNT162b2, von CureVac mit seinem CVnCoV und von AstraZeneca mit AZD1222 verfolgt. Letzterer ist ein modifizierter Schimpansen-Adenovirus-Vektor (ChAdOx1), der zu den nicht-replizierenden viralen Vektoren gehört. Er wurde in Zusammenarbeit mit der University of Oxford und dem Spin-off-Unternehmen Vaccitech entwickelt.
Die Impfstoffkandidaten von Moderna und BioNTech sind mRNA-basierte Impfstoffe, die z. B. aus nukleosid-modifizierter mRNA bestehen, die für einen Wildtyp des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 kodiert und in Lipid-Nanopartikel als Wirkstofftransportsystem eingekapselt oder verpackt sind.[2]
Während Moderna mit seiner mRNA-1273 in Phase 3 der Medikamentenentwicklung und des Zulassungsverfahrens ist und einen Eilantrag eingereicht hat, der derzeit zur Prüfung und Genehmigung durch die US FDA, UK MHRA und EU EMA vorliegt[3] – wurde der Impfstoff BNT162b2 von BioNTech nach heutigem Stand, 10.12.2020, in Großbritannien[4], Bahrain und Kanada zugelassen.[5] In Großbritannien wurden bereits die ersten Patienten geimpft.[6]
Engpässe innerhalb der chemischen Lieferkette.
Da die oben genannten Kandidaten sehr vielversprechend sind, machen sich Experten bereits Gedanken über kommende Probleme und Engpässe innerhalb der chemischen Lieferkette. Während und nach 2020 und 2021 wird die Produktion und Verteilung eines COVID-19-Impfstoffs weltweit adäquate Lager-, Transport- und Verfolgungsaktivitäten erfordern. Experten rechnen mit Milliarden von Fläschchendosen. Dies stellt die größte Supply Chain-Herausforderung in der Geschichte dar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass zwei Wiederholungsimpfungen favorisiert werden.[7]
Supply Chain- und Logistikexperten äußerten ihre Bedenken, dass die internationalen und nationalen Netzwerke nicht bereit sind für die Herstellung und Verteilung eines lizenzierten Impfstoffs mit solch hohen Mengen und solcher Dringlichkeit. Eine große Herausforderung wird auch die Handhabung des Impfstoffs unter den Anforderungen der Kühlkette sein, wie -70 °C für den Impfstoff von BioNTech.[8]
Aktuelle Knackpunkte und Engpässe innerhalb der chemischen Lieferkette wurden in den Bereichen Logistik, Produktions- und Lagerkapazitäten, Kühlketten-Technologien und -Anforderungen, nationaler Infrastruktur sowie Sicherheit und Korruption identifiziert.
Im Folgenden wird ein High-Level-Lieferfluss beschrieben, ausgehend von einem Tier-2-Lieferanten über die Produktion bis zum Kunden.
Das übergeordnete Ziel für die kommenden Monate und Jahre ist der Aufbau einer robusten chemischen Supply Chain mit einer eng abgestimmten, unternehmens- und funktionsübergreifenden Prozesslandschaft und einem schlanken, vollständig rückverfolgbaren Informationsfluss, der durch moderne IT-Lösungen unterstützt wird.
Nach der Identifizierung der derzeitigen Schwachstellen und Engpässe in der Supply Chain hat eine Ursachenanalyse zu den folgenden strategischen Verbesserungsmöglichkeiten geführt, um die aktuellen Schwächen zu überwinden.
Neugestaltung der Lieferketten der Zukunft.
Dies kann eine Neugestaltung der Lieferketten der Zukunft erforderlich machen, die sich durch Flexibilität, Verantwortung und Echtzeit-Transparenz auszeichnen müssen. Diese chemischen Lieferketten werden Gemeinden, einzelne Länder oder einzelne Unternehmen auf der ganzen Welt bei der besseren Bewältigung von kurzfristigen Krisen unterstützen und dazu beitragen, Millionen von Menschenleben zu retten.
Derzeit erproben Unternehmen bereits verschiedene Möglichkeiten, um mehr Widerstandsfähigkeit in ihre Fertigungs- und Liefernetzwerke einzubauen, auch wenn diese Robustheit zusätzliche Kosten verursacht. Aktivitäten wie die Diversifizierung der Fertigungs- und Liefernetzwerke, das Hinzufügen von Back-up-Produktions- und Vertriebskapazitäten oder die Optimierung der Lagerverwaltung sind bereits vorhanden. Darüber hinaus versuchen Unternehmen, ihre Lieferkettenflexibilität, die Risikoüberwachung sowie die Planung und Ausführung von Abhilfemaßnahmen zu verbessern.
Da die Risiken für die Lieferkette im einundzwanzigsten Jahrhundert identifiziert wurden, müssen die Verantwortlichen ein solches, oben erwähntes robustes System für die Zukunft aufbauen. Es wird eine Supply Chain-Risikofunktion umfassen, die Risikobewertungen, Risikoregister mit Fokus auf Wahrscheinlichkeit und Auswirkung sowie Abmilderungs- und Abhilfestrategien beinhaltet. Darüber hinaus werden digitale Supply Chain-Aktivitäten von großer Bedeutung sein, da sie die Geschwindigkeit, Genauigkeit, Transparenz, Flexibilität und unternehmensübergreifende Zusammenarbeit verbessern werden.
Wie schwierig es ist, die Lieferkette für einen solchen Impfstoff zu erweitern, hat Pfizer / BioNTech in den letzten Tagen erfahren. Die ursprünglich geplanten 100 Millionen Impfstoffdosen im Jahr 2020 mussten auf 50 Millionen halbiert werden.[9]
Vor diesem Hintergrund kann die COVID-19-Pandemie als eine Art Weckruf verstanden werden, typische Abläufe zu überdenken, über Alternativen oder anstehende Herausforderungen nachzudenken und auch zu bedenken, dass der ganze Globus in Abhängigkeit zueinander steht, wenn es um die effiziente Bewältigung solcher Katastrophen geht. Schlussendlich sind wir alle Patienten!
Referenzen.
- [1]a) M. S. Diamond, T. C. Pierson, The challenge of vaccine development against a new virus during a pandemic, Cell Host Microbe 27, 699, May 13th, 2020; b) T. T Le, J. P. Cramer, R. Chen, S. Mayhew, Evolution of the COVID-19 vaccine development landscape, Nat. Rev. Drug. Discov. 19, 667, September 4th, 2020; c) COVID-19 vaccine tracker, Milken Institute, November 16th, 2020; d) Draft landscape of COVID-19 candidate vaccines, World Health Organization, November 16th, 2020; e) COVID-19 vaccine development pipeline, London School of Hygiene and Tropical Medicine, November 30th, 2020.
- [2]a) Pfizer and BioNTech announce vaccine candidate against COVID-19 achieved success in the first interim analysis, Pfizer, November 9th, 2020; b) Moderna’s COVID-19 vaccine candidate meets its primary efficacy endpoint in the first interim analysis of the phase 3 cove study, Moderna, November 16th, 2020; c) AZD1222 met primary efficacy endpoint in preventing COVID-19, AstraZeneca, November 23rd, 2020; d) CureVac and WACKER sign manufacturing contract for CureVac’s COVID-19 vaccine candidate CVnCoV, CureVac, November 23rd, 2020.
- [3]a) N. O’Neill, Pfizer applies for emergency FDA approval of COVID-19 vaccine, New York Post, November 20th, 2020; b) C. Kitching, Moderna corona virus vaccine could get UK approval within two weeks, says expert, Mirror, December 1st, 2020.
- [4]https://www.gov.uk/government/publications/regulatory-approval-of-pfizer-biontech-vaccine-for-covid-19, accessed on 10 December 2020.
- [5]https://www.zeit.de/wissen/2020-12/corona-impfung-kanada-biontech-pfizer-zulassung-impfstoff, accessed on 10 December 2020.
- [6]https://edition.cnn.com/2020/12/08/europe/uk-pfizer-biontech-covid-vaccination-intl/index.html, accessed on 10 December 2020..
- [7]a) B. Gates, The vaccine race explained: What you need to know about the COVID-19 vaccine, The Gates Notes, April 30th 2020; b) P. Shukla, A. Rajput, S. Chakravarthy, How the massive plan to deliver the covid-19 vaccine could make history – and leverage blockchain like never before, World Economic Forum, July 17th 2020; c) E. Callaway, The unequal scramble for corona virus vaccines – by the numbers, Nature 584, 506, August 27th 2020.
- [8]a) B. Murray, R. Griffin, The world’s supply chain isn’t ready for a COVID-19 vaccine, Bloomberg World, July 25th, 2020; b) S. D. Kominers, A. Tabarrok, Vaccines use bizarre stuff. We need a supply chain now, Bloomberg Business, August 18th, 2020; c) C. O’Donnell, Why Pfizer’s ultra-cold COVID-19 vaccine will not be at the local pharmacy any time soon, Reuters, November 9th, 2020.
- [9], https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/pfizer-halbiert-auslieferungsziel-fuer-corona-impfstoff-17084380.html, accessed on 10 December 2020.