Agile versus Wasserfall in Pharma-Projekten.

Wie man die effektivste Projektmethodik auswählt, um Compliance, Effizienz und erfolgreiche Ergebnisse sicherzustellen.
In der Pharmaindustrie wird die Projektausführung stark durch regulatorische Vorgaben, komplexe Dokumentation, funktionsübergreifende Teams und enge Zeitpläne geprägt – alles mit dem Ziel maximaler Patientensicherheit und Wirksamkeit der Behandlung.
Die Wahl zwischen dem klassischen Wasserfallmodell und modernen agilen Methoden ist dabei keine reine Geschmackssache – sie beeinflusst direkt die Umsetzungsgeschwindigkeit, die Einbindung der Stakeholder, die Einhaltung regulatorischer Anforderungen (z. B. GxP) und insgesamt den Projekterfolg.
Dieser Beitrag beleuchtet, wo welches Modell im pharmazeutischen Umfeld sinnvoll eingesetzt werden kann, vergleicht Stärken und Schwächen und erläutert, wann ein hybrider Ansatz die beste Lösung darstellen könnte.

Wann man Wasserfall in Pharma-Projekten verwenden sollte.

Das Wasserfallmodell ist ein lineares, phasenbasiertes Vorgehen, bei dem jede Projektphase – Anforderungen, Design, Entwicklung, Test, Implementierung – vollständig abgeschlossen sein muss, bevor die nächste Phase beginnt.
In der Pharmaindustrie ist das Wasserfallmodell der bevorzugte Ansatz für Projekte, die hohe regulatorische Kontrolle, transparente Dokumentation und Validierung erfordern.

Typische Einsatzbereiche:

  • Implementierung validierter IT-Systeme (z. LIMS, DMS, QMS, RIM, ERP);
  • Qualifizierung von Equipment und Validierung von Produktionslinien;
  • Projekte mit fixem Umfang und klar definierten Anforderungen;
  • Vorbereitung auf Behördeninspektionen (FDA, EMA, WHO), Validierung gemäß GAMP 5

Vorteile von Waterfall in Pharma:

  • Leichter zu planen und zu steuern;
  • Klare Dokumentationskette;
  • Strukturierter Projektverlauf;
  • Gut im Einklang mit regulatorischen Audits.

Einschränkungen:

  • Geringe Flexibilität
  • Änderungen während des Projekts sind teuer
  • Geringe Transparenz bis zu späten Projektphasen

Wann Agile in Pharma funktioniert.

Agile ist ein iterativer Ansatz, bei dem Ergebnisse in kurzen Sprints produziert werden – mit häufigem Feedback, schnellen Anpassungen und kontinuierlicher Einbindung aller Stakeholder.

In der Pharmaindustrie kommt Agile zunehmend zum Einsatz bei:

  • Digitalen Initiativen (CRM, BI, BPM-Systemen);
  • Interner IT-Entwicklung oder Prozessautomatisierung;
  • Pilotprojekten oder Projekten mit sich entwickelnden Anforderungen;
  • Digitalisierungsprojekten mit schnellem Value-Delivery.

Vorteile von Agile:

  • Schneller Nutzengewinn;
  • Feedback und Änderungen leicht integrierbar;
  • Höhere Einbindung der Stakeholder;
  • Bessere Transparenz über den Projektverlauf.

Einschränkungen:

  • Erfordert erfahrene, reife Teams;
  • Nicht immer mit GxP-Dokumentation kompatibel;
  • Zusätzliche regulatorische Anpassungen nötig.

Agile vs. Wasserfall in der Pharma: Der Vergleich im Kontext.

Ein Vergleich von Agile und Waterfall im Kontext pharmazeutischer Projekte zeigt, dass jeder Ansatz seine Stärken und Grenzen hat, abhängig von Projektzielen, regulatorischen Anforderungen und Betriebsumfeld.

Regulatorische Anforderungen (GxP).

Aus Sicht der GxP-Konformität bietet Waterfall eine klarere Struktur: Jede Phase umfasst formelle Dokumentationen, Entscheidungen und Ergebnisse, was die Prüfung und Validierung vereinfacht. Agile hingegen erfordert Anpassungen – es müssen zusätzliche Kontrollen und Dokumentationspraktiken implementiert werden, um die regulatorischen Anforderungen zu erfüllen, was die Anforderungen an die Prozessreife erhöht.

Flexibilität und Änderungsmanagement.

In Bezug auf Flexibilität und Änderungsmanagement hat Agile einen klaren Vorteil. Es ermöglicht eine schnelle Anpassung von Prioritäten und Umfang auf Grundlage des Feedbacks von Stakeholdern und sich ändernder Anforderungen. Bei Waterfall sind Änderungen zwar möglich, aber oft kostspielig, da sie sich auf den gesamten sequenziellen Ablauf des Projekts auswirken.

Kundeneinbindung und Transparenz.

Bezogen auf die Transparenz für den Kunden – seien es interne oder externe – ermöglicht Agile ein hohes Maß an Engagement: Kunden erhalten regelmäßig Updates, nehmen an Sprint-Reviews teil und können den sichtbaren Fortschritt während des gesamten Prozesses verfolgen. Bei Waterfall beschränkt sich die Beteiligung des Kunden in der Regel auf vordefinierte Meilensteine, und die Ergebnisse werden hauptsächlich in späteren Phasen.

Time-to-Value und Geschwindigkeit.

Was die Zeit bis zur Wertschöpfung angeht, liefert Agile schnellere Ergebnisse – erste Ergebnisse können bereits innerhalb weniger Wochen sichtbar werden, während Waterfall-Projekte oft länger brauchen, um ein nutzbares Ergebnis zu erzielen. Bei groß angelegten oder stark formalisierten Initiativen bietet Waterfall jedoch einen strukturierteren und besser vorhersehbaren Lieferpfad.

Zusammenarbeit mit globalen Teams.

Was schließlich die Koordination mit globalen Teams angeht, kann Waterfall aufgrund seiner standardisierten und gut dokumentierten Natur praktisch sein – insbesondere für QA-, Validierungs- oder IT-Funktionen. Agile ist ebenfalls effektiv, erfordert jedoch eine starke Kommunikation, kulturelle Reife und Vertrauen innerhalb des Teams – wodurch es sich besser für Unternehmen eignet, die bereits über eine agile Denkweise verfügen.

Ursprünge und Grenzen von Agile in der Pharmabranche.

Es ist ebenfalls wichtig, die Ursprünge von Agile zu berücksichtigen. Die Methodik wurde von IT-Fachleuten entwickelt, um Softwareentwicklungsprojekte zu verwalten. Die Idee der kontinuierlichen Iteration, des Testens und des Lernens aus Fehlern passt natürlich gut in die digitale Umgebung – wo „Fehler” in der Regel einen Bug oder eine fehlende Funktion bedeuten. Diese Denkweise lässt sich jedoch nicht direkt auf die pharmazeutische Entwicklung übertragen, wo Fehler schwerwiegende Folgen für die Patientensicherheit haben können.

Aus diesem Grund muss Agile bei der Anwendung in risikoreichen Bereichen wie klinischen Studien, Arzneimittelentwicklung oder Herstellungsvalidierung gewissenhaft angepasst werden. Strenge Kontrollen und die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sind unerlässlich, um die Compliance sicherzustellen und Risiken zu minimieren.

Der hybride Ansatz: Das Beste aus beiden Welten.

Viele Pharma-Projekte werden heute hybrid umgesetzt – mit der strukturierten Dokumentation aus dem Wasserfallmodell und der Flexibilität und Dynamik von Agile.

Beispielsweise folgen Dokumentation, Validierung und regulatorische Rückverfolgbarkeit den Wasserfall-Prinzipien, während Aufgabenmanagement, Teamzusammenarbeit und Feedback-Schleifen agilen Arbeitsabläufen folgen.

Dieser kombinierte Ansatz ermöglicht es Teams, die Compliance-Anforderungen einzuhalten, iterativen Mehrwert zu liefern und den Kunden enger in den Prozess einzubeziehen.

Sie ist besonders effektiv in Beratungsumgebungen, in denen es wichtig ist, die regulatorischen Standards des Kunden zu erfüllen und gleichzeitig eine reaktionsschnelle und anpassungsfähige Umsetzung zu bieten.

Wichtige Entscheidungsfaktoren für die passende Methodik.

  • Art und Umfang des Projekts
  • Regulatorische Anforderungen
  • Teamstruktur und Reifegrad
  • Grad der Kundeneinbindung
  • Klarheit der Anforderungen

Wählen Sie die richtige Methodik für Ihr Projekt.

Wasserfall sorgt für Kontrolle, Dokumentation und Vorhersehbarkeit. Agile sorgt für Geschwindigkeit, Anpassungsfähigkeit und Zusammenarbeit. In vielen Fällen führt eine intelligente Kombination aus beiden zu den erfolgreichsten Ergebnissen.

Wenn Sie ein Projekt im Pharmabereich leiten und mit engen Zeitplänen, globaler Koordination oder Compliance-Auflagen konfrontiert sind, kann die Wahl der richtigen Methodik den Unterschied zwischen Verzögerung und termingerechter Lieferung -oder sogar zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen.

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Daria Moroz

Senior Project Consultant

Daria Moroz ist Managerin für Regulatory Digital Solutions mit umfassender Erfahrung in den Bereichen Regulatory Affairs und der Implementierung digitaler Projekte in der Pharmaindustrie. Sie hat einen Masterabschluss in Chemie und verfügt über weitreichende Erfahrung in der Leitung bereichsübergreifender Initiativen an der Schnittstelle zwischen Regulatory Affairs, IT und Qualität.

Frau Moroz ist spezialisiert auf die Implementierung und Validierung regulatorischer und qualitätsbezogener Systeme (RIM, DMS, QMS) und stellt dabei die Einhaltung von Data-Integrity- und CSV-Standards sicher. Ihre Expertise umfasst Projektmanagement, die Koordination mit globalen Stakeholdern sowie die Entwicklung von Strategien zur Prozessoptimierung und digitalen Transformation.

Daria Moroz unterstützt Entourage als Senior Consultant mit Fokus auf die Implementierung regulatorischer Systeme, digitale Compliance und Prozessexzellenz.

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